Institut für multisensoriale Kunst Berlin
Das 2002 gegründete Institut für multisensoriale Kunst fördert die Entwicklung, Entstehung, Erforschung und Verbreitung von Kunstformen, die den Menschen auf mehreren Wahrnehmungs-Ebenen ansprechen und für die Rezeption durch verschiedene Sinnesorgane konzipiert sind.
Eine solche "Ars multisensorialis" hat einiges mit "multimedialer Kunst" gemeinsam, geht aber als Genre in bestimmten Punkten darüber weit hinaus. "Multisensoriale Kunst" definiert sich von der Seite der Rezipienten her und nicht von der Seite der Produktion. Das heißt, multisensoriale Kunst bedient sich auch meist unterschiedlicher Medien als Ausdrucksmittel und erfordert besondere Konzeptionen und Methoden der künstlerischen Produktion - das Hauptinteresse des IfmK aber liegt beim aktiv rezipierenden Menschen, der mit allen Sinnen gleichzeitig wahrnimmt und auch Kunst prinzipiell ganzheitlich erlebt. Es ist also Gegenstand der Reflexion, auf welche Weise in einem bestimmten Werk, Prozeß oder Environment die Wahrnehmungsmöglichkeiten der Rezipienten angesprochen werden und wie dies mit der jeweiligen künstlerischen Konzeption zusammenhängt. Mit Medien sind hier ausdrücklich alle Mittel künstlerischen Ausdrucks gemeint, keinesfalls nur die sogenannten "Neuen Medien". Ein wichtiger Zweck des IfmK soll auch sein, Kunst mit "neuen", elektronischen Medien und solche mit "alten" Medien in Verbindung zu setzen und ihre verschiedenen künstlerischen Wirkungsweisen und Zusammenhänge zu untersuchen.
Seit der Einführung der Schrift in der Antike erfolgte eine zunehmende Hierarchisierung der Sinne mit starker Präferenz auf das Sehen. Diese Entwicklung erfuhr zwar durch die audiovisuellen Medien eine gewisse Wendung, setzt sich aber prinzipiell fort. Das Hören wird hier in der Regel zur reinen Begleitfunktionen für die emotionale Untermalung degradiert, Fühlen, Riechen und Schmecken werden meist völlig vernachlässigt. Das hat natürlich auch technische Gründe, allerdings befördert das allgemeine Desinteresse auch keinerlei Initiative zu technischen Neuentwicklungen und läßt bestimmte Sinne der Rezipienten regelrecht verkümmmern. Der Frage, ob bestimmte Sinne wirklich für bestimmte Ebenen der intellektuellen und emotionalen Wahrnehmung "zuständig sind", soll ebenfalls im Kontext des IfmK nachgegangen werden.
Vom IfmK initierte, geförderte und präsentierte Kunstformen sollen die menschlichen Wahrnehmungsmöglichkeiten sinnlich und geistig mehrdimensional ausschöpfen und untersuchen. Dies kann z.B. auch geschehen, indem einzelne Sinne bei einem Werk oder einer Aktion bewußt ausgeblendet werden. Der Begriff "multisensorial" schließt alle Formen klassisch audiovisueller Werke wie Theater, Tanz, Performance, Film, Fernsehen, Klang-, Video- und Objektinstallation ein sobald inhaltliche oder formale Aspekte aufscheinen, die sich auf die Wahrnehmung beziehen bzw. diese verändern. Außerdem aber öffnet sich das Spektrum auch in Richtung von z.B. "eat art", Installationen, die den Geruchssinn berühren und jede Art von Kunst, die mit Körpererfahrung arbeitet. Die geförderte und untersuchte Kunst soll - unabhängig von künstlerischem Inhalt und Impetus - für mehrere Aspekte auditiver, visueller, taktiler, geschmacklicher oder olfaktorischer Wahrnehmung konzipiert sein.
Thomas Gerwin